Der Titan-Trick

| Allgemein- und Viszeralchirurgie 

Manchmal passt’s einfach. Auf dem globalisierten Markt für Medizintechnikprodukte haben sich zwei Partner getroffen, die sich näher kaum sein könnten. Die BioCer Entwicklungs-GmbH in Bayreuth und die Klinikum Bayreuth GmbH.

Es klingt so einfach – und doch ist es Hochtechnologie:  Netze, die Chirurgen der Klinikum Bayreuth GmbH Patienten mit Bauchwand- oder Nabelbrüchen, Narben- oder Leistenbrüchen einsetzen und die aus BioCer-Produktion stammen, sind besonders. In zweierlei Hinsicht sagt BioCer-Geschäftsführer Dr. Markus Heinlein.

 

Besonderheit 1 – die Geometrie: Noch vor ein paar Jahren waren die Netze, die Gewebebrüche verschließen, engmaschig. Die Folge: Das Gewebe wuchs über das Netz, es entstand eine Narbenplatte, die die Bewegungsfreiheit einschränkt. Jetzt sind die Maschen größer, das Gewebe kann besser durch das Netz hindurchwachsen. Beweglichkeit ist gewährleistet. „Und der Körper des Patienten nimmt es besser und schneller auf“, sagt Heinlein. Dieser Effekt wird noch verstärkt durch die zweite Besonderheit. 

 

Besonderheit 2 – die Beschichtung: Man sieht sie nicht, man spürt sie nicht. Doch die nur zehn bis 20 Nanometer dünne Beschichtung der Netze mit Titanoxid ist da. Und sie wirkt. Titanoxid besitzt auf der Oberfläche sogenannte OH-Gruppen. Eine chemische Eigenschaft, die Wirkung hat. Denn: OH-Gruppen sind Botenstoffe. Sie signalisieren dem menschlichen Körper, dass die Oberfläche des Netzes keinen Fremdkörper darstellt. Und so lagern sich schon kurz nach dem Einsetzen an das Netz körpereigene Stoffe und Gewebezellen an. Titanoxid ist wie ein Turbolader für das schnellere und bessere Verwachsen des Netzes und damit für die Heilung des Patienten. 

Weltweit nur zwei Hersteller

Das Know How zur Beschichtung der Netze ist das größte Kapital von BioCer. Denn weltweit gibt es nur zwei Hersteller von derartig beschichteten Netzen. Die seit  2009 im Markt befindliche Medizintechnik-Firma liefert in 55 Länder auf der ganzen Welt, am Standort Bayreuth beschäftigt sie 21 Mitarbeiter. Ihr Marktanteil bei den Netzen für Gewebebrüche liegt in Deutschland bei etwa vier Prozent, pro Jahr finden deutschlandweit etwa 350.000 solcher Operationen statt.  

Dauerhafte Stabilität

Über 300 Operationen, bei denen Netze verwendet werden, finden pro Jahr im Klinikum statt. Nicht nur, aber auch mit Produkten des Bayreuther Medizintechnikunternehmens. Dr. Oliver Ponsel, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, sieht den Nutzen vor allem in der „guten Akzeptanz durch das körpereigene Gewebe“. Und: Die Netze sind von Dauer. Darauf kommt es an – Dr. Ponsel: „Der Patient braucht dauerhafte Stabilität.“ 

Ärzte geben Anregungen

Die Klinikum Bayreuth GmbH ist nicht nur einer der Abnehmer der Netze. Die Chirurgen sind vor allem aber wichtige Ratgeber. „Wir sind gute Entwickler“, sagt Heinlein. „Aber wir sind keine Ärzte.“ Wie lässt sich das Material einsetzen, wie reagiert es? Solche Fragen können nur Ärzte beantworten. Einer dieser Vorschläge, an dem BioCer gerade arbeitet: Die Netze könnten noch flexibler sein. Und das hat mit dem Gewicht zu tun. In der Vergangenheit lag das Gewicht bei Wettbewerbsprodukten bei bis zu  200 Gramm pro Quadratmeter. BioCer ist es bereits gelungen, das Gewicht auf 47 Gramm zu drücken. Die neue Zielgröße liegt bei 28 Gramm. Dadurch wird die Beweglichkeit noch weniger beeinträchtigt.

 

Info: Das Bayreuther Unternehmen BioCer arbeitet auch mit der Klinik für Herzchirurgie und der Klinik für Gefäßchirurgie der Klinikum Bayreuth GmbH zusammen. Diese Kliniken setzen Blutstiller ein, der im Körper eines Patienten nach zwei Tagen vollständig abgebaut ist und zehnmal so viel Blut aufsaugt wie herkömmliche Blutstiller. Es greift nicht in die Gerinnungskaskade des Blutes ein und basiert auf Polysachariden (Vielfachzuckern) wie sie in Kartoffelstärke vorkommen.

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