Alzheimer-Studie: Die Hoffnungen der Patienten und Angehörigen

| Nuklearmedizin Neurologie 

Er begleitet seine an Alzheimer erkrankte Frau. Manchmal war er verzweifelt. Jetzt hat er wieder eine Perspektive. Im Interview sagt ein Angehöriger, wie wichtig die neue Alzheimer-Studie an der Klinikum Bayreuth GmbH für ihn und seine Frau ist.

Er sagt: "Meine Frau und ich sind Rentner im fortgeschrittenen Alter. Wir wissen seit kurzem, dass die mentalen Defizite meiner Frau das Altersgemäße überschreiten und dass sie an der bis jetzt nicht heilbaren Alzheimer-Krankheit leidet. Dieses Unglück wird zu unserem Glück dadurch gemildert, dass sie an der Klinikum Bayreuth GmbH an einer Studie mit dem neuen, vielversprechenden Alzheimer-Medikament Aducanumab teilnehmen kann. Ich begleite sie dabei als ihr Studienpartner. Meine Frau möchte wegen der leider noch weit verbreiteten Stigmatisierung der an Alzheimer-Erkrankten nicht, dass unser Name genannt wird. Deshalb wurde dieses Interview anonymisiert. "

 

Wie sind Sie auf die Studie aufmerksam geworden?

Das war ein längerer Weg. Er begann damit, dass meine Frau erzählte, sie hätte ein Familienmitglied bei seinem Praktikum in Australien besucht. Außer ihr konnte sich niemand an so etwas erinnern. Zusätzlich zu Erinnerungslücken, die meine Frau für altersgemäß hielt, gab es nach Arztbesuchen, bei denen sie sich konzentrieren wollte, eine Leere im Kopf, wie sie das nannte. Sie stellte dieselben Fragen in kurzen Abständen und brachte manches durcheinander. Es kostete sie viel Überwindung zu unserer Hausärztin zu gehen und Demenztests zu machen. Deren Ergebnis war der Verdacht auf eine beginnende Demenz und eine Überweisung zu einem Neurologen.Für mich kam da nur Prof. Oschmann von der Klinikum Bayreuth GmbH infrage, den ich vor reichlich zwei Jahren kennengelernt hatte. Er fand bei mir schnell die richtige Diagnose.  Ich begleitete meine Frau zum Vorstellungsgespräch bei Prof. Oschmann. Er stellte ein paar Fragen und machte einfache Tests mit ihr. Es folgte ein stationärer Aufenthalt mit gründlichen Untersuchungen, wie MRT und PET/CT. Die Diagnose lautete  „höchstwahrscheinlich Alzheimer Demenz“. Bei all dem, was wir mittlerweile über diese bisher unheilbare Krankheit wussten, war das wie ein KO-Schlag. Wie eine Art Todesurteil mit ein paar wenigen Jahren Aufschub. Das wurde etwas erträglicher, als Prof. Oschmann uns von der Studie erzählte, an der er mitarbeitet und bei der meine Frau teilnehmen könnte.Ihre Frau nimmt nun an der Studie teil.

Welche Hoffnungen verbinden Sie damit?

Es ist die große Hoffnung, dass diese Alzheimer-Demenz rückgängig gemacht werden kann, also geheilt wird oder dass sie mindestens in ihrer Entwicklung angehalten wird und es zu einem noch gut erträglichen Stillstand des kognitiven Abbaus kommt. Diese Hoffnung nimmt mir die Angst vor der Ausweglosigkeit, dem hilflosen Ausgeliefertsein. Ich finde, die bisher unheilbare Alzheimer-Krankheit ist ein sehr hartes, gnadenloses Schicksal. Mir graut vor diesem unausweichlichen Verabschieden von der eigenen Persönlichkeit. Es kommt mir vor wie eine schrittweise Selbstaufgabe, ein erzwungener Ich-Verlust, bei dem der Betroffene in der Anfangsphase zuschauen muss wie er immer weniger er selbst ist und nichts Heilendes findet. In der fortgeschrittenen Phase soll er das nicht mehr so mitbekommen, wird vermutet. Ich sehe das mit Angst als eine existentielle Bedrohung und als eine bisher ausweglose Notlage. Ich war sehr froh und erleichtert, als Prof. Oschmann uns von der Möglichkeit erzählte, dass meine Frau unter bestimmten Voraussetzungen an dieser Studie teilnehmen kann. Ich habe von da ab weniger daran gedacht, was ich alles an Angstmachendem über den Verlauf der Alzheimer-Krankheit gelesen und erlebt habe.Die Alzheimer-Krankheit, wie andere Demenzformen auch, wird in großen Teilen unserer Gesellschaft noch immer stigmatisiert. Es fällt uns schon schwer mit Kranken oder Todkranken einfühlsam und offen umzugehen. Mit Demenzkranken, die man früher ins Irrenhaus gesperrt hat, fällt das anscheinend noch viel schwerer. Ich verstehe es gut, wenn meine Frau nicht will, dass selbst gute Bekannte von ihrer Krankheit wissen.

Haben Sie auch Bedenken hinsichtlich der Studie?

Bedenken und Sorgen habe ich, trotz der Hoffnung. Ich habe mitgebibbert, als meine Frau die Hürden der Voruntersuchung nach und nach überwunden hat. Das nächste Bedenken war dann, ob sie das Studienmedikament verträgt, ob sich Nebenwirkungen zeigen, die eine weitere Teilnahme an der Studie unmöglich machen, oder ob das Medikament eine dauerhafte Schädigung bewirkt, auch wenn die Teilnehmer gegen solche Folgen kostenlos versichert sind. Beruhigend ist, dass der Gesundheitszustand während der Studie immer wieder genau kontrolliert wird und dass wir großes Vertrauen in die betreuenden Studienärzte haben.Zu denken gibt mir natürlich auch, dass ein Drittel der Teilnehmer an dieser Studie ein Placebo bekommt und meine Frau vielleicht dazu gehört. Das könnte eineinhalb Jahre vergebene Mühe bedeuten, wenn es nicht die Zusage gäbe, dass jeder Teilnehmer der das will, im Anschluss an den placebokontrollierter Studienteil in einem fast zweijährigen Verlängerungszeitraum das Medikament Aducanumab bekommt. Das motiviert uns und ist eine faire Perspektive.

Wieviel Aufwand bedeutet es für Sie, an dieser Studie teilzunehmen?


Es gibt keinen nennenswerten finanziellen Aufwand. Die Teilnahme ist kostenlos und für die An- und Rückfahrt wird eine Entschädigung gezahlt. Den zeitlichen Aufwand finde ich dagegen schon groß, auch wenn er sich über eineinhalb Jahre verteilt: Es gibt 20 Besuchstermine im Abstand von vier Wochen zur Infusion des Studienmedikamentes und dazu mehr als ein Dutzend Besuchstermine für verschiedene Kontrollen und Untersuchungen. Hinzu kommen noch einige Telefonkontakte zur Sicherheitsüberwachung. Die Zeit für die Studienteilnahme lohnt sich auch wegen der Vertiefung und Absicherung der Diagnose. Als letzte Hürde gibt es bei den Voruntersuchungen die relativ neue und aufwendige Amyloid-PET/CT-Untersuchung. Herr Privatdozent Dr. Förster, der Chefarzt der Nuklearmedizin am Klinikum Bayreuth, hat uns diese faszinierende Untersuchung sehr gut erklärt. Nebenbei erfuhren wir, dass allein der Tracer, der die für Alzheimer typischen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn markiert, sehr teuer ist. Die eigentliche PET/CT kostet fast ebenso viel. Wenn man nicht an der Alzheimer-Studie teilnimmt, müsste man das selbst bezahlen. Eine erfreuliche Besonderheit möchte ich noch erwähnen, die immer freundliche Hilfsbereitschaft und hohe fachliche Kompetenz der Studienärzte und der Studienassistentinnen.Die Studie gibt uns große Chancen und Hoffnungen. Deshalb würden wir aus der Nähe von Hof auch nach München, Frankfurt oder Berlin fahren, wenn es näher keine Studienteilnahme gäbe. Wir sehen es als einen Glücksfall, dass die Klinikum Bayreuth GmbH so nahe ist und dass sie an dieser weltweiten Studie mitarbeiten darf.

 

Das Interview führte Frank Schmälzle.

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