Corona-Impfung: Warum Sie Ja sagen sollten

Nicht wirklich ausgetestet? Zu schnell zugelassen? Bei Vielen sind die Vorbehalte gegen eine Impfung offenbar immer noch größer als die Sorge vor Corona. Dr. Thomas Bollinger ist Leitender Oberarzt, Krankenhaushygieniker, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie an der Klinikum Bayreuth GmbH. Er kennt die Fakten.

 

Herr Dr. Bollinger, immer wieder ist die Rede davon, dass es sich bei der Corona-Impfung um eine neue Form handele. Wie neu ist sie wirklich?
Dr. Bollinger: Tatsächlich findet diese Impfmethode zum ersten Mal bei einer Infektion Anwendung. Das heißt aber nicht, dass sie neu wäre. In der Krebsmedizin ist dieses Verfahren längst in der Erprobung.


Was macht dieses Verfahren so wirksam?
Dr. Bollinger: Das Verfahren setzt einen Schritt früher an als andere Impfungen. Die mRNA-Sequenz wird von der Zelle aufgenommen. Und die Zelle selbst produziert ein Eiweiß, dass die Bildung von Antikörpern auslöst.


Heißt das, dass sich der Impfstoff das Erbgut verändert?
Dr. Bollinger: Nein, diese Sorge ist unbegründet. Der Impfstoff wird im Körper innerhalb kurzer Zeit abgebaut.


Und was ist mit den Nebenwirkungen?

Dr. Bollinger: Während der klinischen Phase der Studie sind 44.000 Menschen geimpft worden. Dabei hat sich klar gezeigt, dass die Nebenwirkungen begrenzt sind. Es kann zu Schmerzen an der Einstichstelle kommen, zu leichtem Fieber, Müdigkeit oder Muskelschmerzen. Diese Nebenwirkungen können nach der zweiten Impfung, die drei Wochen nach der ersten folgt, stärker auftreten. Dass Allergiker stärker reagieren, ist bekannt und es wurden vereinzelt vorübergehende schwere allergische Reaktionen beobachtet. Insgesamt sind die jetzt erkennbaren Nebenwirkungen alles andere als untypisch. Sie sind eine Reaktion des Immunsystems. Und genau eine solche soll die Impfung ja auslösen.


Man liest ja bereits von einer historischen Tat, weil so schnell Impfstoffe gegen eine relativ neue Infektionskrankheit vorliegen. Geht das alles nicht zu schnell?

Dr. Bollinger: Das Risiko ist meiner Meinung nach sehr überschaubar. Wie gesagt: Der Impfstoff wurde an ca. 44.000 Impflingen getestet. Das hat zu einer breiten Datenbasis geführt. Je mehr in den kommenden Wochen und Monaten geimpft wird, desto mehr Daten wird es geben. Vielleicht ist die Nebenwirkung mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million noch nicht erkannt. Aber für die Allgemeinheit ist die Impfung aus meiner Sicht sicher. Die Ständige Impfkommission und die Zulassungsbehörden sind für ihre rigide Arbeitsweise bekannt. Und sie haben trotzdem grünes Licht gegeben. Ich finde die öffentliche Debatte über die Sicherheit der Impfung ein wenig schräg, weil sie die Maßstäbe zu den Alltagsrisiken verloren hat. Wenn man mit 200 auf der linken Autobahnspur unterwegs ist, geht man ein deutlich höheres Risiko ein. Auch sollte man bedenken, dass wir wissen, dass es bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Spätfolgen wie Atemnot, Muskelschwäche, chronischer Müdigkeit, Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns und/oder zu Gedächtnisstörungen kommt. Bevor man also eventuelle sehr seltene Impfstoff-Nebenwirkungen auf die Goldwaage legt, sollte man sich die Folgen von COVID-19 vergegenwärtigen.


Warum sollte man sich impfen lassen?
Dr. Bollinger: Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Niemand weiß, wie die Krankheit verläuft, wenn sie oder er sich ansteckt. Auch wenn der Verlauf in vielen Fällen beherrschbar ist – eine Garantie dafür gibt es nicht. Zweitens: Auch bei vergleichsweise milden Verläufen kommt es immer wieder zu Spätfolgen. Das gilt auch für jüngere Patienten, die über Monate hinweg abgeschlagen sind, nichts riechen oder schmecken. Und drittens: Wenn wir die unkontrollierte Verbreitung des Virus bremsen und zu einem halbwegs normalen Leben zurückkehren wollen, braucht es die Impfbereitschaft eines großen Teils der Bevölkerung. Das ist der einzige Weg aus der Pandemie und zurück zu dem Leben, das wir alle gerade vermissen.

Das Gespräch führte Frank Schmälzle.

 

 

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Dr. Thomas Bollinger