Corona: Zweite Welle wird heftig

Im Interview mit dem Nordbayerischen Kurier warnt der stellvertretende Ärztliche Direktor der Klinikum Bayreuth GmbH, Prof. Dr. Jörg Reutershan, davor die zweite Corona-Welle zu unterschätzen. Sie wird nicht weniger heftig.

Wie sieht es mit der Bettenauslastung in Corona-Zeiten aus (Intensiv-Betten, die freigehalten werden für Covid-Patienten)?

Laut Allgemeinverfügung müssen derzeit keine Betten für potenzielle Covid-Patienten freigehalten  werden. Es besteht jedoch die Verpflichtung, erforderliche Bettenkapazitäten innerhalb von 24, spätestens 48 Stunden für an Covid Erkrankte bereitzustellen.  Dieser Verpflichtung kommt das Klinikum nach und stellt die erforderlichen Ressourcen bedarfsgerecht zur Verfügung.

Wie viele Patienten werden aktuell mit Corona behandelt?

Die Zahlen bewegen sich seit einigen Wochen im einstelligen Bereich auf der Normalstation. Derzeit behandeln wir einen Patienten auf Intensivstation mit schwererem Krankheitsverlauf.

Wie bereitet sich die Klinik auf eine etwaige größere Welle vor?

Die Klinikum Bayreuth GmbH hat im Frühjahr sehr erfolgreich Strategien entwickelt, die Pandemie zu kontrollieren. Dies umfasste medizinische, räumliche und personelle Konzepte. Wir evaluieren täglich die aktuelle Lage im Krisenstab und reaktivieren die erforderlichen Strategien je nach aktuellem Bedarf.

Rechnen Sie mit deutlich steigenden Corona-Patienten-Zahlen?

Die Entwicklungen der Fallzahlen in unseren Nachbarländern, aber auch insbesondere im Süden und im Westen Deutschlands sind alarmierend. Wir erwarten in den kommenden Wochen eine deutlich steigende Zahl von Patienten, die eine stationäre und auch eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, sei es aus der Stadt bzw. dem Landkreis Bayreuth oder durch Zuverlegungen aus anderen Regionen, wo sich bereits jetzt die Intensivstationen füllen.

Es war mal in der Diskussion, einen getrennten, salopp gesagt: virensicheren Eingang zu schaffen, um die Verdachtsfälle von den „normalen“ Patienten zu trennen. Ist das noch im Gespräch?

Bereits seit dem Frühjahr gibt es getrennte Wege und eigene Stationen für Covid- und Covid-Verdachtspatienten. Die räumliche Trennung von Covid- und Nicht-Covid-Patienten ist ein zentrales Instrument für die Verhinderung von Infektionsausbreitungen innerhalb des Krankenhauses. Diese Strategie verfolgen wir mit allem Nachdruck und großer Sorgfalt. Um eine maximale Sicherheit für alle Patienten, aber auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, erhalten bei uns darüber hinaus alle stationären Patienten einen Corona-Test. Bis zum Vorliegen des Testergebnisses werden alle Patienten vorübergehend isoliert.

Wie viele Ärzte/Pflegekräfte sind im Moment infiziert und/oder in Quarantäne?

Mit großer Sorge erreichen uns täglich Meldungen anderer Kliniken über massive Ausfälle im medizinischen Personal. Das betrifft Kliniken im gesamten Bundesgebiet und ist - anders als die Situation im Frühjahr - als derzeit größte Herausforderung zu werten. Mehrere Kliniken berichten von Ausbrüchen im Personal mit erheblichen Konsequenzen für die Sicherstellung der medizinischen Behandlung. In Bayreuth ist die Zahl der Ausfälle im Moment noch zu kompensieren, die überwiegende Mehrzahl sind in Quarantäne befindliche Kontaktpersonen ohne eigene Infektion. Nachdem sich die wenigen Infektionen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klinikums derzeit ausnahmslos im privaten Umfeld ereignen, appellieren wir auch an dieser Stelle eindringlich, die Hygienemaßnahmen auch dort unbedingt einzuhalten. Wir sind gleichzeitig sehr froh, dass es bislang keine Infektionsverbreitung innerhalb des Klinikums gab.  

 Wie hat sich die Behandlung in den vergangenen fast acht Monaten geändert? Neue Medikamente? Andere Therapien?

Seit dem Frühjahr stehen eine Vielzahl von klinischen Studien zur Behandlung von Covid-Patienten zur Verfügung. Einige der noch im Frühjahr verabreichten Medikamente haben sich zwischenzeitlich leider als nicht wirkungsvoll erwiesen und werden daher von uns auch nicht mehr eingesetzt. Auf der anderen Seite stehen mit Remdesivir, Dexamethason und Acetylsalicylsäure gleich mehrere Substanzen zur Verfügung, die eine Wirksamkeit in klinischen Studien gezeigt haben. Alle Substanzen kommen je nach Phase und Schwere der Erkrankung auch bei uns zum Einsatz. Im intensivmedizinischen Bereich stehen darüber hinaus mit der nicht-invasiven und der invasiven Beatmung, sowie der Lungenersatztherapie alle im Rahmen des akuten Lungenversagens bewährten Behandlungkonzepte weiterhin zur Verfügung.

Aus den Erfahrungen des Frühjahrs können wir heute zudem den individuellen Krankheitsverlauf deutlich genauer einschätzen und die Patienten noch besser einer individualisierten Therapie zuführen. Dies ermöglicht im Einzelfall auch eine Behandlung außerhalb der Intensivstation, z.B. wenn in einer Patientenverfügung ein entsprechendes Vorgehen geregelt ist.


Viele Nicht-Mediziner wundern sich, dass die Sterblichkeitsrate nicht mehr so hoch ist wie noch im Frühjahr. Gibt es dafür auch medizinische Gründe?

Über dieses Phänomen existieren verschiedene Theorien. Die Erkrankungen der Urlaubsrückkehrer im Sommer betraf in aller Regel mobile, eher junge und bis dahin gesunde Personen. Diese weisen in aller Regel einen milden Krankheitsverlauf auf. Leider breiten sich die Infektionen jetzt aber immer mehr auch auf ältere Personen aus, die häufig einen schweren Krankheitsverlauf zeigen. Die bundesweit derzeit rasch steigende Zahl intensivpflichtiger Patienten bestätigt leider die Vermutung, dass auch die Sterblichkeit in Kürze wieder deutlich ansteigen wird. Die These, es handele sich bei der zweite Welle um eine abgeschwächte Variante des Corona-Virus, lässt sich anhand der derzeitigen Entwicklung leider nicht festigen.

 

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