Den Tagen mehr Leben geben

| Palliativmedizin Palliativstation 

20 Jahre Palliativstation: Aus diesem Anlass findet am Mittwoch, 3. Mai, findet ab 17 Uhr im Zentrum an der Badstraße eine öffentliche Veranstaltung für Angehörige, Interessierte und Mitarbeitende statt. Susanne Bauer arbeitet auf der Palliativstation der Klinikum Bayreuth GmbH. Sie pflegt Menschen am Lebensende. Und das tut sie gerne. Hier ihr bewegender Bericht:

„Du zählst, weil Du bist. Und Du wirst bis zum letzten Augenblick Deines Lebens eine Bedeutung haben.“ Dieses Zitat von Cicely Saunders, der Begründerin der Hospizbewegung, macht sehr gut deutlich, was den Pflegenden auf unserer Station wichtig ist. Die Palliativstation ist ein ganz besonderer Arbeitsplatz. Wenn ich erzähle, dass ich hier arbeite, sehe ich häufig in betroffene Gesichter und höre die Frage: „Das ist bestimmt schwer, oder?“

Ja, es ist sehr herausfordernd, aber auch immer wieder sehr, sehr schön und bereichernd. Die Begegnungen mit den Patientinnen und Patienten, mit den Angehörigen sind oft sehr bewegend. Mal fröhlich, mal sehr ernst – und oft einfach nur von Herz zu Herz. Ein Stück ihres Weges darf ich die Menschen begleiten und ich spüre dann, dass ich am richtigen Platz bin.

Freude an den kleinen Dingen

Unser Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich, wie überall, wo man mit Menschen arbeitet. Wir müssen sehr flexibel sein und blitzschnell reagieren. In einem Zimmer liegt ein Sterbender, den wir umsorgen und seinen Angehörigen beistehen. Wir beobachten achtsam den Menschen, der sich oft nicht mehr äußern kann und erklären den Angehörigen, wie sie den Patienten unterstützen und dabei dennoch gut für sich selbst sorgen können. Nebenan freut sich ein Mensch
über die Besserung seiner Beschwerden und überlegt, was er gerne trinken möchte – jetzt, wo die Übelkeit endlich nachgelassen hat. Wir freuen uns mit ihm und versuchen, alle Wünsche zu erfüllen.

Bei der Versorgung richten wir uns nach dem jeweils individuellen Tagesrhythmus. Das ist eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität für die Menschen,
für uns Pflegekräfte aber eine enorme Herausforderung. Auf unserer Station ist auch Raum für besondere Highlights: es gab schon Hochzeiten und Geburtstagsfeiern. So etwas zu ermöglichen, gehört zum Leben auf unserer Station.

Eine Patientin wird von der Onkologie zu uns verlegt. Sie hat Tränen in den Augen und es fällt ihr sichtlich schwer auf unsere Station zu kommen.
Viele Menschen haben das Stichwort „Sterbestation“ im Kopf. Nach einigen Tagen treffe ich sie auf dem Balkon vor ihrem Zimmer. Sie lächelt, genießt die Aussicht, trinkt eine Tasse Cappuccino und sagt: „Wenn ich gewusst hätte, wie es hier wirklich ist, hätte ich mich nicht so gefürchtet. Ich wäre sogar
schon früher gekommen.“

Ein Platz, um zur Ruhe zu kommen

Viele Patientinnen und Patienten erfahren bei uns Linderung ihrer Beschwerden, können wieder nach Hause gehen und sagen beim Abschied: „Wenn es
mir schlechter geht, dann komme ich wieder.“ Für uns Pflegekräfte sind es schöne Momente, wenn Menschen durch unsere Arbeit noch eine gute Zeit erleben.

Ein anderer Patient kommt sehr elend und unter großen Schmerzen zu uns. Sorgfältig versorgen unsere Ärztinnen und Ärzte den Mann, so dass er Linderung erfährt. Nach einigen Tagen wünscht er sich so sehr zu duschen und ich ermögliche es ihm. Wir brauchen dafür viel Zeit. Alles geht langsam, der Patient gibt das Tempo vor. Erschöpft liegt er anschließend im Bett und lächelt mich an: „Danke Schwester, das war so schön!“ Gleich darauf schläft er ein …

Eine Kollegin berichtet: „Ein Patient wird schon viele Wochen von uns versorgt, er ist zusätzlich zu seiner Tumorerkrankung mit Corona isoliert, wird langsam
immer schwächer. Ich versuche herauszufinden, worüber er sich freuen könnte. Gespräche strengen ihn an, die Körperpflege belastet ihn. Nicht einmal trinken
kann er, seit gestern verschluckt er sich dabei. Also frage ich ihn, ob ich mich einfach an sein Bett setzen soll. Ein Strahlen geht über sein Gesicht: „Ja, das wäre wirklich sehr schön.“ Ich beobachte, dass er nach einiger Zeit völlig entspannt die Augen halb schließt und ganz ruhig und gleichmäßig atmet. Als ich meine Schutzkleidung ablege und das Zimmer verlassen will, wird er kurz wach und bedankt sich bei mir einfach nur fürs DASEIN.“

Die Begleitung der Angehörigen ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir hören zu, sind einfach an der Seite der Menschen in dieser schweren Zeit. Wir versuchen, es leichter zu machen, mit dem Erlebten umzugehen und es im besten Fall anzunehmen, oder wenigstens zu akzeptieren. Unvergessen ist mir
da die Begleitung eines ALS-Kranken. Seine Familie hat bei uns viel Unterstützung erfahren und auch gelernt, sich in all dem Schweren Zeit für sich selbst zu nehmen. Als der Patient am Morgen verstorbenwar, konnte die Ehefrau auf ihren Wunsch hin mit den Töchtern im Zimmer frühstücken. Sie haben
mich mit hineingenommen in ihreTrauer und ihre Erinnerungen an den Vater. Lachen und Weinen, alles hatte seinen Raum.

"Es war mir eine Ehre"

Eine andere Kollegin hat etwas Bewegendes erlebt, als sie einen muslimischen Patienten bis zum Tod begleitet hat. Wir wissen um die besonderen Rituale. Sie bot Hilfe an, zog sich aber respektvoll aus dem Zimmer zurück. Nach einiger Zeit baten die Angehörigen sie um Hilfe und sie durfte Hand in Hand mit ihnen den Leichnam versorgen. Das war für sie eine ganz besondere Erfahrung: „Es war mir eine Ehre.“

Nur dank einer guten personellen Besetzung können wir so am Menschen arbeiten – wir hoffen sehr, dass das auch weiterhin möglich sein wird.

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Susanne Bauer sagt: „Ein Stück ihres Weges darf ich die Menschen begleiten und ich spüre dann, dass ich am richtigen Platz bin.“