Den Tagen mehr Leben geben

Die Möglichkeiten der Medizin werden immer größer, weil der Fortschritt in der Medizintechnik immens ist. Das rettet jeden Tag Leben. Auch die Palliativmedizin profitiert davon. Allerdings ist der Fokus ein anderer: Hier geht es vor allem um eines: Menschen sollen das Leben lebenswert finden – bis zum Ende. Klinikdirektorin Dr. Sabine Gernhardt spricht im Interview über die moderne Palliativmedizin. Sie sagt: „Wir wollen lebenswerte Zeit schenken“. Heute der erste Teil. Zur Erinnerung: Die Palliativstation feiert 20-jähriges Bestehen. Am Mittwoch, 3. Mai, sind Angehörige, Interessierte und Mitarbeitende ab 17 Uhr herzlich ins Zentrum an der Äußeren Badstraße eingeladen.

Frau Dr. Gernhardt, die Medizin macht immer mehr möglich. Verändert sich dadurch auch die Palliativmedizin?

Gernhardt
Im Grunde nicht. In der Palliativmedizin stehen Symptomkontrolle und Schmerzlinderung im Mittelpunkt. Natürlich machen wir uns dabei moderne Methoden zunutze. Aber unsere Arbeit beginnt dort, wo die kurative Betreuung endet, weil eine Heilung nicht mehr möglich ist. Wir wollen unsere Patienten lebenswerte Zeit schenken, ohne Schmerzen und möglichst beschwerdefrei. Lebensverlängerung um jeden Preis – das gibt es bei uns nicht.

Lebensverlängerung auf der einen Seite – Sterbehilfe auf der anderen. Auch das ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert wird. Wie empfinden Sie das?

Gernhardt:
Es gibt immer wieder Patienten, die gezielt danach fragen. Ich stelle mir dann die Frage: Warum ist dieser Wunsch
überhaupt da? In Gesprächen merkt man schnell, dass meist die Angst vor dem Weg, vor Schmerzen und Beschwerden, dahintersteht. Vielen fehlt eine Perspektive. Diese kann die Palliativmedizin aber bieten: Wir können Schmerzen und Symptome so weit in den Hintergrund drängen, dass die Zeit, die bleibt, lebenswert ist. Bisher erinnere ich mich nicht, dass ich eine Patientin oder einen Patienten hatte, der tatsächlich ins Ausland gegangen ist und Sterbehilfe in Anspruch genommen hat. Das zeigt, was Palliativmedizin leisten kann.

Die Palliativmedizin ist ein sehr junges Fachgebiet. Was hat sich in den vergangenen Jahren hier entscheidend verändert?

Gernhardt:
Seit 2015 gibt es ein Hospiz- und Palliativgesetz, in dem die Bundesregierung festgelegt hat, dass jeder Mensch Anspruch auf palliativmedizinische Betreuung hat und dass eine flächendeckende Versorgung durch verschiedene Strukturen gegeben sein muss, um die Lücke zwischen Onkologie und Palliativmedizin zu schließen. Daraus lässt sich ein Anspruch auf eine ambulante Betreuung ableiten. Auch Pflege- und Altenheime können eine Betreuung in Anspruch nehmen. Im Klinikum Bayreuth hat man diese Entwicklung gut vorausgesehen und mit der Gründung der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) rechtzeitig Strukturen geschaffen.

Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie morgen an gleicher Stelle.