Mehr als 100.000 ambulante und stationäre Patientinnen und Patienten kommen alljährlich zu uns. Für ihr Wohl arbeiten wir, für sie sind wir da.
Medizin und Menschlichkeit gehören für uns zusammen. Wir möchten uns um Sie kümmern, im Krankenhaus und danach.
Die Klinikum Bayreuth GmbH ist ein Krankenhaus der "maximalen Versorgungsstufe" in Oberfranken.
Die Klinikum Bayreuth GmbH ist ein Krankenhaus der maximalen Versorgungsstufe. Bei uns sind Sie am richtigen Ort.
In unseren Zentren arbeiten verschiedene Berufsgruppen aus unterschiedlichen medizinischen Disziplinen zusammen. Denn unser Ziel ist die beste Behandlung für Sie.
Vom Notfall bis zur Nachsorge: Wir sind rundum für Sie da. Dafür gibt es unsere Einrichtungen.
Ambulante medizinische Hilfe in den MVZs Bayreuth
Ambulante medizinische Hilfe im MVZ MedCenter Bayreuth.
Fünf Jahre Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV). Detlef Stahl ist seit Anfang an dabei. Er betreut Schwerstkranke. Er sagt: „Ich kämpfe nicht gegen etwas an, das nicht zuändern ist. Ich frage nicht, ob das Schicksal gerecht ist. Meine Aufgabe ist es, Patienten und Angehörigenzu helfen. Ich lasse Menschliches zu. Das ist dieVoraussetzung, um nicht zu hadern." Frank Schmälzle, Leiter Pressestelle und öffentlichkeitsarbeit der Klinikum Bayreuth GmbH, hat Detlev Stahl einen Tag lang begleitet. Der Bericht erschien in der Dezemberausgabe von Gesundheit 360°.
Sein Gesicht ist das eines Mannes, der viel gesehen hat. Die Augen immer ein wenig zusammengekniffen. Große, kräfti-ge Hände, eine raue Stimme. Tätowierungen auf den Armen. Tätowierungen, die sich unter seinem T-Shirt den Hals hinauf ranken. Die schwarze Sonnenbrille auf der Stirn. Detlef Stahl ist Pfleger, seit 37 Jahren. Seit fünf Jahren ist er für die Spezialisier-te ambulante Palliativversorgung (SAPV) Bayreuth Kulmbach unterwegs. So lange gibt es die SAPV inzwischen. Stahl betreut sterbende Menschen. Menschen, die so lange es möglich ist, zu Hause bleiben wollen. Und er betreut deren Töchter und Söh-ne, deren Ehemänner und Ehefrauen, deren Verwandte und Freunde. Mindestens ebenso intensiv wie die Patienten selbst. Die erste Station des Tages liegt in einem idyllischen Wohngebiet am Stadtrand. Stahl, den alle „Dede“ nennen, kennt die Diagnose, weiß aber sonst noch nicht sehr viel von der Pa-tientin. Erst gestern hat er sie in die SAPV-Versorgung aufge-nommen. Der Hausarzt hatte sie angemeldet. „Der Hausarzt hat immer Vorrang“, sagt Stahl. „Wir unterstützen ihn und die ambulante Pflege.“ Gestern noch war die Patientin sehr schwach und hatte stärkste Schmerzen. „Sie will gehen.“ Stahl hatte ihr ein Schmerzpflaster geklebt, einen Dauerkatheter gelegt und ein Medikament zur Beruhigung gegeben. Alles was er tut, geschieht in Absprache mit dem diensthabenden Arzt der SAPV. Nichts im Alleingang. „Man kann mit wenig sehr viel bewirken.“ Wunder allerdings nicht.
Die Tochter der Patientin öffnet, sie lächelt tapfer. In der Küche sitzt die Schwester der schwer kranken Frau. Stahl versorgt die Patientin. Und die Schwester beginnt zu reden. „Auf den Tag genau vor 25 Jahren hat mein Mann die Diagnose Hirntumor bekommen.“ Sie haben gemeinsam gekämpft, bis ihr Mann starb. Sie weint. Um ihre Schwester. Und um ihren Mann.
„Es liegen Welten zwischen gestern und heute“, sagt Stahl, als er aus dem Schlafzimmer der Patientin kommt. „Die Schmer-zen lassen nach. Der Lebenswille kommt wieder. So wie ich es jetzt sehe, haben wir noch Zeit.“ Am Nachmittag wird man die Patientin in ein Seniorenheim bringen. „Das ist ein gutes Heim“, sagt Stahl und die Tochter nickt. „Wir kommen auch dorthin. Wir lassen Sie und ihre Mutter nicht allein. Und bitte denken Sie jetzt auch an sich selbst.“ Gestern, sagt die Toch-ter, als es ihrer Mutter so schlecht ging, musste sie arbeiten. Es ging einfach nicht anders. Eine Dienstbesprechung. „Ich bin Leitung. Ich kann mich da nicht rausziehen. Aber ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Was mache ich hier eigentlich? Warum bin ich nicht bei meiner Mutter?“ Zum Abschied nimmt die Tochter Dede in den Arm. Den Mann, der so gar nicht nach Pfleger aussieht. Aber durch und durch einer ist.
Stahl steigt ins Auto. Die Koordinatorin der SAPV im Klinikum hat angerufen. „Hallo Iris. Was gibt es?“ „Du fährst doch jetzt ins Fichtelgebirge. Schau Dir die Situation mal an. Wir haben mit der Chefärztin die Palliativstation gesprochen. Es wäre ein Bett für die Patientin frei, die Du jetzt besuchst.“ Etwa 40 Kilometer rund um Bayreuth, so groß ist der Einzugsbereich der SAPV Bayreuth Kulmbach. Im vergangenen Jahr hat das SAPV-Team mehr als 550 Patientinnen und Patienten betreut. Manche nur ein paar Tage, manche über Monate. „Man weiß es nie.“
Auf dem Weg ist ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Wie er damit klar kommt, dass es für seine Patienten keine Rettung, keine Heilung mehr geben kann? „Das macht mich nicht fertig. Wenn es mir gelingt Vertrauen bei meinem Patienten zu we-cken, versteht er, dass er vor dem Ende keine Angst zu haben braucht. Ich kann den Weg leichter machen, wenn ich wachsam bin und Nähe zulasse. Manche in der Pflege sprechen von professioneller Distanz. Ich setze eher auf professionelle Nähe. “ Die chinesischen Schriftzeichen auf seinem Arm bedeuten: Göttliche Liebe erhalten und menschliche Liebe geben.
Vor dem Haus in der Wohnsiedlung am Waldrand wartet der Ehemann bereits auf Stahl. „Mit ihm habe ich das Aufnahme-gespräch gemacht“, sagt Stahl. Aufgenommen werden Patientinnen und Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung, die austherapiert sind. Die Symptome haben – häufig Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen. Denen Medizin nicht mehr helfen, wohl aber ihr Leiden lindern kann. „Wir sagen den Angehöri-gen in diesen Gesprächen einiges. Aber vor allem eines: Wir sind rund um die Uhr erreichbar. Und wir kommen.“ 4,8 Pflegestellen hat die SAPV und zwei Arztstellen. Durchschnittlich fünf Mal im Monat haben die Palliativpflegerinnen und Pfleger Bereitschaftsdienst. Wenn nachts das Handy klingelt, fahren sie. „Und wir möchten den Angehörigen vermitteln, dass sie dieses Angebot in Anspruch nehmen dürfen und sollen.“ Die Handynummer steht groß und in roten Ziffern ganz vorne auf der Mappe, die die Angehörigen bekommen.
Auf der Couch in dem kleinen Wohnzimmer liegt die Patientin. Sie hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sie hat eine schlechte Nacht hinter sich, war unruhig, hat geschrien und geweint. Jetzt ist sie ruhig. Stahl spricht mit dem Ehemann.
„Möchten Sie, dass Ihre Frau auf die Palliativstation im Klinikum Bayreuth kommt? Es wäre ein Bett frei. Sie können Sie beglei-ten und immer bei ihr sein.“ „Ich möchte mich nicht festlegen. Sie hat einen Krankenhauskoller und die Verwirrungszustände der letzten Nacht sind ja wieder weg.“
„Wenn Sie das Gefühl haben, Sie müssten sich mal für ein paar Stunden ausklinken, kann ich Ihnen ehrenamtliche Begleiter des Hospizvereins vermitteln.“ „Es geht schon, mein Arbeitgeber hat gesagt, ich kann so lange wegbleiben, wie es nötig ist. Und meine Tochter kommt ja auch immer vorbei.“
„Das Albert-Schweitzer-Hospiz würde ich Ihnen empfehlen. Lassen Sie Ihre Frau dort auf die Liste setzen. Das ist kein Krankenhaus, das ist eine wirklich tolle Einrichtung. Sie können Tag und Nacht bei Ihrer Frau sein, aber wir müssten sie jetzt anmelden.“ „Ich glaube, ich bin der Situation gewachsen.“ Stahl spricht weiter, bekommt dann doch noch das Okay für eine Anmeldung im Hospiz.
Wachsam sein. So ruhig die Patientin dort auch gelegen haben mag, so ernst und doch zugleich nicht akut bedroh-lich ihr Zustand auf einen Laien gewirkt haben mag. Stahl hat sie mit anderen Augen gesehen. „Sie hat leicht blaue Lippen und eine graue Hautfarbe. Sie ist schlechter dran, als ich sie bislang erlebt habe. Wir reden nur mehr über Wochen.“ Wochen, denen ihr Ehemann vielleicht doch nicht gewachsen sein könnte. Deshalb die viele Überzeu-gungsarbeit, die nur gelingt, wenn Vertrauen da ist. Stahl hat Erfahrung aus fast 15 Jahren in der Notaufnahme, aus der psychiatrischen Pflege und aus der Pflege im Hospiz. Andere im Team kommen aus anderen Bereichen, von der Intensivstation zum Beispiel. „Wir ergänzen uns.“ Kurzer Anruf bei der Koordinatorin im Klinikum. „Hallo Iris, ich bin im Fichtelgebirge. Ich fahre jetzt bei Frau X vorbei.“ So steht es auch auf seiner Tagesliste. Immer montags ist Organisationstag in der SAPV. „Wir planen die Woche grob vor, bringen uns gegenseitig auf den aktuellen Stand der Patienten. Und wir telefonieren an diesem Tag viel.“ Um zu wissen, wie es den im Schnitt 100 Patienten und ihren Angehörigen geht. Um daraus einen Fahrplan für die Woche zu machen. Immer montags gedenkt das Team auch den Patienten, die gestorben sind. Die Palliativpflegerin oder der Palliativpfleger, der den Patienten zuletzt betreut hat, spricht ein paar Worte. „Das ist wichtig für uns. Damit auch wir abschließen können.“ Wenn es viel wird, wenn es ihm unter die Haut geht, dann kann sich Stahl auf das Team verlassen. „Ich kann es jederzeit signalisieren, dass ich an meine Grenzen komme. Es ist ein tolles Gefühl, nicht allein zu sein und Wertschätzung für meine Arbeit zu bekommen.
Stahls Auto rollt auf den Hof eines schmucken Bauernhauses. Als er Frau X hier zum ersten Mal gesehen hatte, sprachen die beiden darüber, dass sie das nächste Weihnachtsfest noch erleben möchte. Nach Weihnachten kam eine Hochzeit. Und dann die Geburt von Kindern. Jetzt steht deren Taufe bevor. Und ihre Augen-OP ist auch schon fest geplant. Nach einem Aufenthalt auf der Palliativstation hat sie sich wieder erholt. „Du bist ein Stehaufmännchen“, sagt Stahl zu der Frau, die er schon geraume Zeit kennt und betreut. Vor fünf Jahren hatte sie die Krebsdiagnose bekommen – und sich gegen eine Chemotherapie entschieden. „Ich bin damals in die Kirche gegangen und habe gesagt: Lieber Gott, wenn Du möchtest, dass hier unten ein Platz frei wird, dann ist es so.“ Stahl sagt: „Wenn sich Patienten Ziele stecken, die nicht allzu weit weg sind, kann das unglaubliche Kräfte mobilisieren.“ Die Patientin lacht. „Ja, wenn man positiv eingestellt ist, geht so einiges.“
In einem Altenheim in der nächsten Ortschaft steht eine Aufnahme an. Der Patient kommt aus dem Klinikum, das Krankenhaus kann eine SAPV-Verordnung für eine Woche ausstellen, danach ist es die Entscheidung des Hausarztes. Jetzt liegt er in einem Bett in der Nische des Zimmers, der Fernseher läuft, aber er schaut nicht hin. Er kann kaum sprechen. Seine Knochen sind voller Metastasen, einige sind deshalb gebrochen. Er müsste schlimme Schmerzen haben, aber er klagt nicht. Der diensthabende Arzt der SAPV ist gekommen, gemeinsam nehmen sie den Patienten neu auf. Versorgen ihn medizinisch. Und fragen nach Angehörigen. Der Mann schaut sie mit leerem Blick an. Dann fällt ihm ein, eine Schwester, ja die gibt es. In Köln. Man wird sie verständigen. Für einen Moment ist es ganz still im Raum. Es klingt nach Einsamkeit.
Stahl nutzt die Gelegenheit bei einem anderen Patienten der SAPV, der in diesem Heim lebt, anzuklopfen. Drinnen ist kein Zimmer, es ist ein Atelier. Der Mann sitzt vor seiner Staffelei, als er Stahl sieht, steht er auf, begrüßt ihn voller Freude. „Lass uns raus auf den Balkon gehen. Die Sonne scheint.“ Er erzählt von seinem Krebs und davon, dass er schon ein paar Mal tot gesagt worden war. „Ich lebe immer noch. Aber warum? Welchen Nutzen habe ich? Das macht mir zu schaffen.“ Stahl schweigt. Ich kämpfe nicht gegen etwas an, das nicht zu ändern ist, hatte er ge-sagt. Ich frage nicht, ob das Schicksal gerecht ist. Ich lasse Menschliches zu.
Den Bericht finden Sie in der Dezemberausgabe von Gesundheit 360°.