Die Wissens-Vermittler

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Gerade einmal jeder zweite Studienplatz ist vergeben. Warum stagniert die Akademisierung in der Pflege? An der Klinikum Bayreuth GmbH hat man die Gründe analysiert. Und tut etwas dagegen.

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hat der Wissenschaftsrat eine Quote von zehn bis 20 Prozent von Pflegefachpersonen mit Hochschulabschluss in der Patientenversorgung gefordert. Die Zahl der Auszubildenden steigt sukzessive. Das Interesse für das primärqualifizierende Studium an den Hochschulen stagniert allerdings. Nur 50 Prozent der Studienplätze sind derzeit vergeben. Das hat Gründe – und die Klinikum Bayreuth GmbH tut etwas dagegen.
Warum nur die Hälfte der Studienplätze belegt sind? Das liegt sicher daran, dass die Auszubildenden in der Pflege gut entlohnt werden, während die Studenten monetär auf sich gestellt sind. Und: Es fehlt an klaren Tätigkeitsprofilen für die Hochschulabsolventen in der Pflege der Kliniken. So arbeiten viele Bachelorabsolventen auf Station  gleichberechtigt mit den Kollegen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben – und das oft bei gleichem Gehalt.


Theorie in die Praxis tragen
An der Klinikum Bayreuth GmbH ist man sich der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bewusst und hat akademische Rollen- und Tätigkeitsprofile für die Studienabsolventen entwickelt. Ausgangspunkt dafür ist die Tatsache, dass der Berufsalltag in der Pflege von sehr knappen zeitlichen Ressourcen und einer hohen Arbeitslast geprägt ist.


Deshalb ist es schwierig bis unzumutbar, von den Pflegenden zu fordern, sich nebenbei mit komplexer wissenschaftlicher Literatur (meist englischsprachig) zu beschäftigen. Dies übernehmen an der Klinikum Bayreuth GmbH pflegewissenschaftliche Mitarbeitende: Sie finden relevante Erkenntnisse und bringen sie in eine anwendungsgerechte Form. Beispiele hierfür finden sich bei der Umsetzung von Expertenstandards oder Leitlinien sowie bei gesetzlichen und strukturellen Vorgaben. Mittlerweile arbeiten vier pflegewissenschaftliche Mitarbeiter an der Klinikum Bayreuth GmbH.


In enger Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN) werden bzw. wurden die Kolleginnen und Kol legen in einem dualen Studiengang auf ihre neue Rolle vorbereitet und ausgebildet. „Für die Mitarbeiter ist die Ausgestaltung ihrer Stelle eine großartige Chance, da sie sich aktiv in die Entwicklung einbringen können“, erklärt Stefanie Kurrent, Stabsstelle Pflegewissenschaft an der Klinikum Bayreuth GmbH. Allerdings ist das mit viel Mühe und Kreativität verbunden. Auch die Integration in den Teams ist herausfordernd. Für Recherche, Planung und Schulung werden die pflegewissenschaftlichen Kollegen aktuell vier Tage à acht Stunden monatlich freigestellt. Die restliche Zeit arbeiten sie regulär im Schichtbetrieb mit. Durch die Abbildung der definierten Tätigkeiten der hoch schulisch ausgebildeten Pflegenden im Tarifvertrag ist damit auch eine attraktivere Vergütung der Tätigkeit möglich.


Wissen mundgerecht serviert
In regelmäßigen Teamsitzungen geben die Pflegewissenschaftler das gewonnene Wissen an die anderen Pflegenden weiter und diskutieren darüber. So kann dank des Erfahrungswissens langjähriger Kollegen gepaart mit der pflegewissenschaftlichen Expertise ein gelungener Theorie-Praxis-Transfer stattfinden. Die Pflegekräfte auf den Stationen sind mehrheitlich dankbar für den fachlichen Input, da sie selbst wenig Zeit und Nerven dafür haben, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Durch die pflegewissenschaftlichen Mitarbeiter wird ihnen nun neues Wissen „mundgerecht serviert“. Neue Interventionen werden bereits vor deren Einführung in die Praxis erprobt und wenn nötig angepasst. „Durch das gemeinsame Arbeiten im gleichen Stationsalltag können Widerstände direkt im persönlichen Gespräch abgebaut werden“, berichtet Stefanie Kurrent.

 

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Stefanie Kurrent treibt die Akademisierung in der Pflege an der Klinikum Bayreuth GmbH voran.