Wenn es von heute auf morgen um Leben und Tod geht

| Anästhesie und Intensivmedizin 

Manfred W. kann sich nur an wenige Tage erinnern, an dem er seine Zahnarztpraxis krankheitsbedingt geschlossen hatte. Seit drei Jahren ist er im Ruhestand, reist gerne und viel, ist auch mit 73 Jahren fit und kerngesund. „Dass er so fit ist und keinerlei Vorerkrankungen hatte, hat ihm vermutlich das Leben gerettet“, sagt Prof. Dr. Jörg Reutershan, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin. Er hat Manfred W. im September kennengelernt. Als Corona-Patienten auf der Intensivstation.

Wo sich Manfred W. angesteckt haben könnte, weiß er nicht. Ja, sie waren in Italien im Urlaub. „Aber diese Entscheidung haben wir ganz bewusst getroffen. Wir haben uns vorab gut informiert. Über Infektionszahlen und Hygienekonzepte vor Ort. Wir sind unter uns geblieben und haben am Strand die Sonne genossen“, erzählt Manfred W..

Bis es ihm an einem Nachmittag am Strand plötzlich nicht gut geht. „Mir war heiß. Ich habe es zunächst auf die Sonne geschoben“, sagt Manfred W. Auch das Glas Wein, auf das er sich am Abend gefreut hatte, schmeckt ihm nicht. Heute, im Rückblick, waren die Signale ziemlich deutlich. In der Situation glaubt W. aber nicht an eine Corona-Erkrankung. Eher an einen Sonnenstich. Zwei Tage später fahren die beiden nach Hause.

Als sich W. daheim immer noch nicht gut fühlt, lassen er und seine Frau sich beim Hausarzt testen – und sind beide positiv. Inzwischen hat Manfred W. deutlich Fieber. Die nächsten drei Tage verbringt er im Bett, wartet auf Besserung. Aber er fühlt sich schlechter und schlechter. Bis es am 8. September nicht mehr geht. Er ruft den Rettungswagen. Sein Glück ist es, dass er nicht länger gewartet hat, denn schon einen Tag später sinkt die Sauerstoffsättigung im Blut so stark, dass er auf die Intensivstation verlegt wird. Die Lunge schafft es nicht mehr, den Körper aus eigener Kraft zu versorgen. „Ich hatte ehrlich gesagt nicht das Gefühl, dass es mir so schlecht geht, aber als ich auf der Intensivstation lag, Tag und Nacht an die Monitore angeschlossen, habe ich doch gedacht: Das soll es jetzt gewesen sein?“ Sonst bleibt aus diese Zeit nicht viel im Gedächtnis. Woran sich W. erinnert: Die Erleichterung, als er nach sechs Tagen Intensivpflege zurück auf die Normalstation verlegt wird. „Ich habe mich so auf eine Dusche gefreut.“
Verläufe wie den von Manfred W. sieht Prof. Reutershan häufiger in diesen Tagen: „Natürlich haben wir in der ersten Welle Erfahrungen gesammelt und die Behandlung darauf abgestimmt. Glücklicherweise können wir so vielen Patienten gut helfen. Die Erkrankung verläuft typischerweise in drei Phasen, die jeweils etwa fünf Tage dauern. Zunächst treten leichte Symptome auf. Nach und nach fällt dann das Atmen schwerer. Bei kritischen Verläufen schließlich so schwer, dass die Atmung unterstützt, ja sogar auf eine künstliche Beatmung umgestellt werden muss.“

Manfred W. hat Glück. Gerade noch so. Eine nichtinvasive Ventilation (NIV), die Atemunterstützung über eine Maske, bei der man gegen einen Widerstand atmet, reicht aus. „Seine Konstitution ist für sein Alter überdurchschnittlich. Wäre das anders gewesen, hätte er durchaus sterben können“, macht Prof. Reutershan klar. Denn: „Noch immer sterben Menschen an Covid 19. Und die müssen nicht 80 Jahre alt sein. Noch immer kann die Medizin nur die Symptome, nicht aber die Erkrankung behandeln“, sagt der Chefarzt. Aber es gibt Möglichkeiten, dem Immunsystem zu helfen, sich selbst zu helfen. Dazu gehört auch Vitamin D. „Studien legen einen positiven Effekt nahe“, sagt Prof. Reutershan und rät vorbeugend zur Einnahme des Vitamins. „Wir hatten bereits Patienten, bei denen sich das positiv ausgewirkt hat. Manfred W. ist einer davon.“

Nach 11 Tagen im Krankenhaus  darf W. nach Hause. Er hat neun Kilo abgenommen und die Kondition kommt erst langsam zurück. Aber es geht aufwärts. Sein Blick auf Corona hat sich verändert. „Ich habe vorher nie damit gerechnet, dass es mich trifft. Heute kann ich nur jedem raten, auch scheinbar harmlose Symptome ernst zu nehmen. Und: Keine Veranstaltung, kein Treffen ist das Risiko wert, sich anzustecken. Ich hatte Glück. Dass ich es geschafft habe, habe ich diesem und den Ärzten und Pflegekräften im Klinikum zu verdanken. Sie machen alle einen wirklich tollen Job.“

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Chefarzt Prof. Dr. Jörg Reutershan betreut Corna-Patienten auf der Intensivstation. Manfred W. war einer von ihnen.