Wie ein Brand im eigenen Körper

Autoimmune Gastritis: Wie kann man der Erkrankung begegnen?

Es ist wie ein unsichtbaren Brand, den die eigene Feuerwehr mitausgelöst hat. Autoimmune Gastritis ist eine Sonderform einer chronischen Gastritis, die zun lebensbedrohlichen Folgen führen kann – und die Ursache ist der eigene Körper. Prof. Dr. Alexander Link, Direktor der Klinik für Gastroenterologie an der Klinikum Bayreuth GmbH, kennt die Erkrankung genau. Er sagt: Man kann trotzdem sehr gut damit leben. Wenn man sich an ein paar Spielregeln hält.


Was genau ist Gastritis? 
Gastritis ist eine Entzündung der Magenschleimhaut und gehört zu den häufigsten Entzündungen beim Menschen. Oft verläuft sie ohne Symptome, kann aber ein potenzielles Risiko für die Entwicklung von Tumorerkrankungen darstellen. Die häufigste Form wird durch Helicobacter pylori-Bakterien verursacht. Eine andere Form entsteht durch die Einnahme bestimmter Medikamente – vor allem Schmerzmittel –, die bei falscher Anwendung eine Gastritis und in der Folge auch Magengeschwüre auslösen können. Daneben gibt es spezielle Formen von Gastritis mit chronischen, entzündlichen Darmkrankheiten. „Und es gibt die autoimmune Gastritis“, sagt Prof. Dr. Link. In diesen Fällen bekämpft das körpereigene Immunsystem des Patienten Zellen des Magens, die dann ihre eigene Funktion nicht mehr ausüben können und in der Folge die Funktion des Magens nicht mehr gegeben ist. Konkret wird die Säureproduktion ausgeschaltet. Zusätzlich verschwinden weitere Faktoren - etwa die, die für die Aufnahme des Vitamins B12 notwendig sind.  „So entsteht eine chronische Kaskade.“

Was bedeutet es, wenn der Magen keine Säure produziert?
Fangen wir mal mit einem gesunden Patienten an: Aus dem Mund- und Rachenbereich wandern Bakterien in den Magen. Dort besteht ein stark geschütztes System, die auf der Magensäure basiert. Der pH-Wert im Magen liegt im Normalfall bei eins bis zwei. Bakterien und auch alles, was der Patient isst, werden verarbeitet und damit entstehen keine weiteren Probleme. „Wenn dieser Säureschutz des Magens allerdings ausfällt, können Bakterien ungehindert in den gesamten gastroenterologischen Bereich des Körpers vordringen und dort sehr wohl große Probleme verursachen“, erklärt Prof. Dr. Link. Die Folgen können nicht nur den Magen, sondern auch den Dünn- und Dickdarm betreffen. Durch die chronische Entzündung und das veränderte Mikromilieu kommt es im Magen zu einer Akkumulation molekularer Veränderungen. Prof. Dr. Link erklärt: „Auf diesem Weg entsteht eine Risikokonstellation, die mit einer erhöhten Gefahr für die Entwicklung von Magentumoren verbunden ist und somit eine wichtige Kaskade in der Tumorentstehung darstellt.“

Wie kann ein Arzt autoimmune Gastritis feststellen?
„Das ist gar nicht so schwierig“, sagt der Klinikdirektor. Goldstandard ist die Magenspiegelung und deren großer Vorteil ist, dass man nicht allein auf den Magen fokussiert zu sein braucht. Ärzte schauen sich auch an, was vor und nach dem Magen kommt - die Speiseröhre und den Dünndarm zum Beispiel. „Wir nehmen auch Proben aus unterschiedlichen Magenbereichen und lassen diese im Institut für Pathologie der Klinikum Bayreuth GmbH beurteilen. Mit Prof. Michael Vieth, dem Direktor des Instituts für Pathologie, und seinem Team steht uns exzellente Expertise für die mikroskopische Beurteilung zur Verfügung. "Danach lässt sich genau sagen, welche Form der Entzündung vorliegt, wie stark das Gewebe geschädigt ist, ob bereits die Vorstufe zum Krebs erreicht ist und ob es sich tatsächlich um den klassischen Typ der autoimmunen Gastritis handelt“, sagt Prof. Dr. Link. 
Zusätzlich gibt es eine Möglichkeit, dass man Antikörper bestimmt, die den Magen angreifen können. Aus dieser Konstellation kann man eine Diagnose stellen. „Entscheidend ist vor allem, dass Gastritis möglichst frühzeitig entdeckt und die entsprechende Schritte zur Vorsorge bzw. Screening warhgenommen werden können.“

Wie wichtig ist die Diagnose?
Gerade für Patientinnen und Patienten mit einer autoimmunen Gastritis ist eine frühzeitige und präzise Diagnose von entscheidender Bedeutung. Nur so können Folgeschäden rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Durch regelmäßige endoskopische Kontrollen lassen sich Veränderungen der Magenschleimhaut frühzeitig erfassen, und minimal-invasive Eingriffe ermöglichen die Entfernung von Vorstufen bösartiger Gewebe, bevor ein Tumor entsteht.

Da bei der autoimmunen Gastritis die Produktion von Magensäure und des sogenannten „Intrinsic Factors“ eingeschränkt ist, kommt es häufig zu einer verminderten Aufnahme von Vitamin B12 und Eisen. Eine gezielte Substitution dieser Nährstoffe – meist in Form von Injektionen für Vitamin B12 und oralen oder intravenösen Präparaten für Eisen – ist daher essenziell, um Blutarmut und neurologischen Komplikationen vorzubeugen.


Wie verändert eine autoimmune Gastritis das Leben?
„Eine absolut relevante Frage.“ Autoimmune Gastritis ist keine seltene Erkrankung und verläuft häufig ohne erkennbare Symptome. Dennoch können verschiedene Faktoren die Schädigung der Magenzellen verstärken und damit das Risiko für Komplikationen erhöhen – ein Beispiel ist Alkohol. Dessen Abbauprodukte greifen die ohnehin empfindliche Magenschleimhaut zusätzlich an. Daher sollte möglichst darauf verzichtet werden. Prof. Dr. Link weiter: „Mit der Kenntnis, dass man an einer autoimmunen Gastritis leidet, ist es grundsätzlich ratsam, gesund zu leben und sich ausgewogen zu ernähren.“ Wichtig ist außerdem, die regelmäßige Einnahme notwendiger Medikamente sowie die Kontrolle des Vitamin- und Eisenhaushalts sicherzustellen, da Mangelzustände häufig auftreten. Ebenso entscheidend sind regelmäßige Magenspiegelungen: „Wenn Veränderungen frühzeitig erkannt werden, kann beispielsweise eine endoskopische Abtragung erfolgen. So lässt sich eine große Operation am Magen, mit dem Risiko eines fortgeschrittenen Tumors und einer schlechteren Prognose, vermeiden.“  Der Magen hat einen hohen Stellenwert für die Lebensqualität. Eine Magenentfernung bedeutet daher einen erheblichen Einschnitt und kann langfristig die Verdauung und das Wohlbefinden stark beeinträchtigen.

Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. Alexander Link ist seit Oktober neuer Klinikdirektor der Klinik für Gastroenterologie an der Klinikum Bayreuth GmbH. Zuletzt war er am Universitätsklinikum Magdeburg tätig und bringt umfassende klinische und wissenschaftliche Expertise in die Region. Er leitete dort die Sektion für Molekulare Gastroenterologie und mikrobiotaMikrobiota-assoziierten Erkrankungen und war verantwortlich für das GI-Forschungslabor. Seine Ausbildung absolvierte er unter anderem an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie am Baylor University Medical Center in Dallas, USA. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Mikrobiomforschung, der endoskopischen Diagnostik und Therapie sowie der Entwicklung innovativer Lehrformate für Medizinstudierende.
 

Person hält sich den Bauch; über dem Magen ist eine brennende, schwitzende Cartoon-Darstellung eingeblendet. Bild symbolisiert Sodbrennen, Magenschmerzen oder Verdauungsbeschwerden.
Porträt eines lächelnden Mannes mittleren Alters in weißem Arztkittel vor neutralem Hintergrund; er blickt direkt in die Kamera.

Prof. Dr. Alexander Link