Palliativmedizin: Lebenswerte Zeit schenken


Wir haben vorab gefragt, welchen Herausforderungen sich Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Therapeutinnen und Therapeuten, aber auch Patientinnen, Patienten und Angehörige in der Begleitung Schwerstkranker und Sterbender täglich stellen und wie sie damit umgehen. Die Antwort in einem Wort: Gemeinsam.
Fragen und Antworten zum Thema
Frau Dr. Gernhardt, was ist in ihren Augen das größte Missverständnis im Zusammenhang mit Palliativmedizin?
Dr. Gernhardt: Dass sich bei uns alles um das Thema Tod und Sterben dreht. Wir sind keine Sterbestation, im Gegenteil. Dort, wo das Leben endlich ist, gewinnt es auch an Bedeutung. Bei uns wird geweint und getrauert, aber es wird auch gelacht und gefeiert. Es sollte für Freude und Trauer gleichermaßen Platz sein. Unsere Aufgabe ist es, Schmerzen und Beschwerden zu behandeln und in den Hintergrund zu drängen, um so eine Lebensperspektive zu schaffen, die unsere Patienten bis zum Ende trägt.
Die Palliativmedizin ist ein sehr junges Fachgebiet – was hat sich in den vergangenen Jahren getan?
Dr. Gernhardt: Die Versorgung ist vielseitiger geworden. Seit 2015 gibt es ein Hospiz- und Palliativgesetz, in dem die Bundesregierung festgelegt hat, dass jeder Mensch Anspruch auf eine palliativmedizinische Betreuung hat und dass eine flächendeckende Versorgung durch verschiedene Strukturen gegeben sein muss, um die Lücke zwischen Onkologie und Palliativmedizin zu schließen. Daraus lässt sich auch ein Anspruch auf eine ambulante Betreuung ableiten. Im Klinikum Bayreuth hat man diese Entwicklung gut vorausgesehen und mit der Gründung der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) rechtzeitig Strukturen geschaffen, von denen auch zunehmend Patienten mit internistischen Erkrankungen im Endstadium profitieren. Damit können wir in der Region eine sehr gute Versorgung anbieten, die durch zahlreiche Ehrenamtliche, vor allem des Hospizvereins, noch gestützt wird. Das Albert-Schweitzer-Hospiz komplettiert dieses Angebot.
Was heißt das für die Patienten und ihre Angehörigen?
Dr. Gernhardt: In erster Linie, dass wir in der Ausnahmesituation, in der sich unsere Patientinnen und Patienten befinden, sehr individuell auf Wünsche und Bedürfnisse eingehen können. Nicht zuletzt, weil wir untereinander sehr gut zusammenarbeiten. Die Möglichkeiten, die wir stationär in der Palliativstation am Klinikum Bayreuth bieten können, halten deutschlandweit nur etwa 15 Prozent der aller palliativmedizinischen Einrichtungen vor. Dazu gehört auch ein umfassendes therapeutisches Angebot. Neben Physio- und Ergotherapeuten arbeiten wir mit Gestalt-, Kunst- oder Musiktherapeuten, aber auch mit der Seelsorge eng zusammen. Aber das ist nur ein Standbein. Wir pflegen ein enges Miteinander mit niedergelassenen Ärzten, Pflege- und Altenheimen. Wir haben mit der SAPV ein gutes Bindeglied, das auch eine umfassende palliativmedizinische ambulante Betreuung möglich macht, die auch Pflege- und Altenheime für ihre Bewohner in Anspruch nehmen können. Viele Patienten haben den Wunsch, die Zeit, die ihnen noch bleibt, im Kreis ihrer Familie zu Hause zu verbringen. Die Mitarbeiter der SAPV unterstützen sie in dieser Zeit. Tag und Nacht steht jemand aus unserem Team auf Abruf bereit, um medizinische Hilfe zu leisten, aber auch, um in belastenden Momenten Halt zu geben und Mut zuzusprechen. Das gibt Sicherheit und entlastet auch die Angehörigen.
Palliativversorgung ist also nicht nur medizinische Hilfe?
Dr. Gernhardt: Nein. Wir sehen den Menschen und sein Umfeld als Ganzes und helfen dort, wo Hilfe vonnöten ist. Unsere Patientinnen und Patienten sind unheilbar krank. Ihre Sorgen und Wünsche zu respektieren und in die Behandlung einzubeziehen, ist Teil unserer Arbeit, sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich.
Veranstaltungsort ist der Speisesaal in der Klinik Hohe Warte (Therapiezentrum). Der Eintritt ist frei.

