Forschungsprojekt an der Klinik Hohe Warte erhält Förderung

Besserer Schutz vor Druckgeschwüren dank personalisierter Sitzkissen für den Rollstuhl

Die Klinikum Bayreuth GmbH ist einer von sechs Partnern eines mit insgesamt 2,64 Millionen Euro geförderten Forschungsprojekts. Entwickelt werden sollen neuartige, individuell anpassbare Sitzkissen, die das Risiko von Druckgeschwüren (Dekubitus) bei Rollstuhlnutzenden deutlich reduzieren. Die Förderung für das Projekt „StopUlcus – Personalisierbares Rollstuhlsitzkissen zur Therapie und Prävention von Druckgeschwüren“ kommt vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) im Rahmen der Förderlinie „KMU-innovativ“ (Förderkennzeichen: 13GW0783). Vertreter der sechs Verbundpartner trafen sich nun zum Kick-off an der Klinik Hohen Warte.

„Das Ziel dieses Verbundprojekts liegt in der Entwicklung und Fertigung eines personalisierten Sitzkissens mit einer innovativen Kombination aus 3D-gedruckten Gitterstrukturen und Polymerschäumen. Diese neuartigen Kissen lassen sich hinsichtlich Form und Festigkeit individuell anpassen und werden einen verbesserten Feuchtigkeitstransport gewähren.“ sagt Thomas Lück, Koordinator des Projektes und Leiter Vertrieb und Innovation der cirp GmbH. „Darüber hinaus soll ein integriertes Sensorsystem Druck und Feuchtigkeit messen und die Sitzposition überwachen. Dadurch lässt sich ein Positionswechsel empfehlen und langfristig den optimalen Zeitpunkt für einen Austausch des Kissens prognostizieren.“, so Lück weiter. 

„Wir wollen nicht nur die Entstehung neuer Druckgeschwüre verhindern, sondern auch den Heilungsverlauf bei bestehenden Wunden positiv beeinflussen“, sagt Privatdozent Dr. phil. Roy Müller, Leiter des Gang- und Bewegungslabors an der Klinikum Bayreuth GmbH. „Im Vergleich zu herkömmlichen Dekubituskissen ermöglicht dieses Projekt erstmalig eine personalisierte Anpassung des Sitzkissens in Wechselwirkung mit dem gesamten Gesäß auf Basis simulationsgestützter Gewebeanalysen und Gewebemodelle – eine deutliche Weiterentwicklung gegenüber traditionellen Materialien und Konstruktionen“, sagt Müller. „Die gewonnenen Projektergebnisse können zu einer neuartigen Sitzkissenversorgung im Rollstuhl führen und damit eine erhebliche Kostenreduktion im Gesundheitswesen ermöglichen.“

An der Klinikum Bayreuth GmbH werden unter der Leitung von Müller teilprojektbezogen die klinischen Voruntersuchungen durchgeführt. Bei Patientinnen und Patienten mit zurückliegenden Dekubitusgeschwüren im Sitzbereich werden mittels MRT, Ultraschall und Sitzdruckmessung individuelle Messdaten für eine simulationsbasierte Anpassung an die Gewebedynamik der Betroffenen erhoben und ausgewertet. Neben der Klinikum Bayreuth GmbH sind die SOFTLINE-Schaum GmbH & Co. KG aus Storkow/Mark, die Firma cirp GmbH aus Heimsheim, das Sanitätshaus Urban & Kemmler GmbH aus Weiden, die Konzept Informationssysteme GmbH aus Meersburg sowie das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart an dem Forschungsprojekt beteiligt. 

Druckgeschwüre als unterschätzte Gesundheitsgefahr

Druckgeschwüre (Dekubitus) zählen zu den schwerwiegendsten Komplikationen bei gelähmten oder dauerhaft immobilisierten Menschen. Besonders betroffen sind Patientinnen und Patienten, die dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen sind. „Ein operativ zu behandelndes Druckgeschwür am Kreuzbein bedeutet für die Betroffenen großes Leid – und für das Gesundheitssystem enorme Kosten von über 300 Millionen Euro jährlich“, erklärt Roy Müller. „Die heute verfügbaren Sitzkissen können das Risiko nur unzureichend mindern. Während herkömmliche Modelle auf eine gleichmäßige Druckverteilung setzen, fehlt bislang eine gezielte Anpassung an die individuellen anatomischen und biomechanischen Gegebenheiten der Patientinnen und Patienten.“ Darüber hinaus ist die korrekte Kissennutzung sowie ausreichende Gewebeentlastung durch Positionswechsel nicht immer sichergestellt. Das soll sich nun ändern.

Wertschöpfungskette komplett

Das Konsortium aus sechs Partnern bündelt Fachwissen aus den Bereichen Medizintechnik, In-Silico-Technologie, Materialwissenschaft, Sensorik, Datenverarbeitung und klinischer Validierung. Gemeinsam bilden sie die gesamte Wertschöpfungskette von der Forschung über die Fertigung bis hin zum klinischen Einsatz ab. Ziel ist es, das entwickelte Produkt nach erfolgreicher Validierung auf dem Gesundheitsmarkt zu etablieren und so langfristig die Versorgung von Rollstuhlnutzenden deutlich zu verbessern. 


Über die Verbundpartner:
Die cirp GmbH produziert seit 1994 Modelle, Prototypen und Kleinserien aus Kunststoff mit additiven Fertigungsverfahren wie Stereolithographie, Lasersintern oder PolyJet. Ausgestattet mit CNC-Bearbeitungszentren und den neusten Spritzgießmaschinen mit bis zu 4500kN Schließkraft bietet die cirp GmbH weiter alle Voraussetzungen für erprobungswürdige Teile und schließt oft die Lücke vor dem Großserienwerkzeug. Auch schon bevor fertige Daten vorhanden sind, kann die Konstruktionsabteilung der cirp GmbH mit modernsten CAD/CAM-Systemen und 3D Scantechnologien ihre Kunden unterstützen. Als Partner in Verbundforschungsprojekten engagiert sich die cirp GmbH zudem, die Möglichkeiten und Grenzen kontinuierlich von der Idee bis zum Produkt zu verschieben und zu erweitern.


Die SOFTLINE-Schaum GmbH & Co. KG ist ein Medizinproduktehersteller mit Sitz im brandenburgischen Storkow (Mark). Seit 1999 steht das Unternehmen für höchste Qualität, Innovation und Kundennähe im Bereich der Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Produkten zur Dekubitusprophylaxe und Therapieunterstützung. Mit rund 50 engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vereint SOFTLINE-Schaum langjährige Erfahrung mit modernster Technologie, um maßgeschneiderte Lösungen für Kliniken, Pflegeeinrichtungen, Sanitätsfachhandel und Medizintechnikhersteller zu realisieren. Dank konsequenter Qualitätssicherung, enger Zusammenarbeit und fundiertem Branchenverständnis hat sich die SOFTLINE-Schaum GmbH & Co. KG als verlässlicher Hersteller medizinischer Hilfsmittel etabliert.


Die Konzept Informationssysteme GmbH ist bereits seit 30 Jahren ein vertrauensvoller Partner renommierter Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen. Wir verfügen über umfangreiche Erfahrung in der Entwicklung sicherer und zuverlässiger Systeme, die höchsten Qualitätsstandards entsprechen. Unsere Kernkompetenzen umfassen die individuelle, agile Softwareentwicklung sowie die Themenbereiche Digitalisierung und Funktionale Sicherheit. Wir bieten unseren Kunden eine Vielzahl von Leistungen an, darunter Softwareentwicklung, Qualitätssicherung, Projektmanagement, Systems Engineering und USB-Treiberentwicklung & Zertifizierung. Unser Angebot richtet sich an Unternehmen aus verschiedenen Branchen, darunter Medizintechnik, Verteidigungstechnik, Raumfahrt, Maschinenbau, Energiesysteme, Bahntechnik, Avionik, Automotive und Schiffstechnik.
Das Sanitätshaus Urban & Kemmler GmbH ist ein zuverlässiger Partner in allen Belangen der häuslichen und stationären Patientenversorgung. Im Bereich der Prothetik und Orthetik garantieren ihre modernen Fertigungsmethoden eine hohe Passgenauigkeit und somit einen hohen Komfort, der durch sie gefertigten Produkte. Aber auch im Bereich der Versorgung bietet das Sanitätshaus ein breites Spektrum der benötigten Materialien und Hilfsmittel. 


Die Forschungsgruppe „In-Silico-Human Modelling“ des Fraunhofer IPA bringt mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der Modellierung, Optimierung und Finite-Elemente (FE)-Simulation im Bereich der Medizin und Medizintechnik mit. Das Fh-IPA erforscht In-Silico-Technologien zur präzisen Analyse des menschlichen Bewegungsapparates, basierend auf klinischen Bilddaten zur Gewebeanatomie (MRT) und -physiologie (Ultraschall, EMG), sowie der Biomechanik mithilfe der FE-Methode (FEM). Diese Technologien werden eingesetzt, um Gelenk-Endoprothesen und Operationsverfahren am Bewegungsapparat realitätsnah an virtuellen Patienten zu evaluieren und die biomechanische Funktion sowie Stabilität zu optimieren. Dadurch wird ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der evidenzbasierten Medizin geleistet.


Die Klinikum Bayreuth GmbH ist ein Krankenhaus der maximalen Versorgungsstufe in Oberfranken. Mit ihren Standorten Hohe Warte und Klinikum, ihren Kliniken, Fachzentren und dem ambulanten Zentrum (mit den verschiedenen Fachbereichen) bieten unsere Einrichtungen eine fachübergreifende Rundumversorgung, die ihresgleichen sucht – ganzheitlich, menschlich, kompetent. Im Rahmen des klinischen Studiums am Medizincampus Oberfranken in Bayreuth schließen hier zudem jedes Jahr zirka 100 neue Ärztinnen und Ärzte ihr Medizinstudium ab. Damit vereint die Klinikum Bayreuth GmbH Diagnostik, Therapie, Forschung und Lehre auf universitärem Niveau – zum Wohle der Patientinnen und Patienten und der gesamten Region Oberfranken.
 

Zwei Personen prüfen die Sitzposition eines Rollstuhlfahrers. Der Stehende zeigt auf einem Tablet eine Druckverteilungs-Heatmap und hält ein geriffeltes Sitzkissen. Ziel ist die Anpassung der Sitzunterlage zur Druckentlastung und Komfortverbesserung.
Gruppenfoto: Rund 16 Erwachsene stehen in mehreren Reihen auf einer Treppe in einem hellen, modernen Gebäude und blicken in die Kamera. Mischung aus formeller und legerer Kleidung.